Who is...Andrea Sutrich
Begeisterte Triathletin und seit 2017 Monkey-Mitglied, bei über 20 Wettbewerben mit viel Freude und Einsatz dabei, einige AK-Medaillen und Punkte ergattert, erzählt hier, weshalb sie im Corona-Jahr 2020 nur über WhatsApp sichtbar war und wie sehr sie sich wünscht, wieder mit den Monkeys an der Startlinie stehen zu können.
Meine spezielle Langdistanz
Auftakt
"WIE lange haben Sie das schon, diesen riesigen Dippel? Erst seit letzter Woche? Naaa, das ist ein jahrelanges Geschehen!" Misstrauisch, missmutig, missgelaunt bezweifelt der bekannte, kompetente Radiologe meine Angaben und verdeutlicht mir: Es ist ernst. Auch der sofort ausgehändigte schriftliche Bericht empfiehlt die umgehende Kontaktaufnahme mit einem Brustkrebszentrum. Ok – ich radle direkt mit dem geliebten Mountainbike zu meiner Hausärztin zwecks Beratung. Fast hat sie Tränen in den Augen, jedenfalls sehr viel Mitgefühl, die Liebe. Ich empfinde nicht viel. Schock? Jedenfalls fühle ich mich nicht soooo krank. Die Leistungsstagnation in 2019 trotz gezieltem Training, der spürbare Leistungsabfall in den letzten Wochen beim Langlaufen, beim Mountainbiken war offenbar doch kein Übertraining! Es ist Mittwoch, der 19. Februar 2020. Ich habe keine Angst, nur viele, viele Fragen an meinen Top-Arzt Prof. Pfeiler, dem ich wegen seiner Kompetenz, Erfahrung, Einfühlsamkeit und klaren Kommunikationsweise vertraue: Er wird mich durch diesen "Wettkampf" navigieren. Ich bin in guten Händen.
Die Vorbereitung
Nach exakt einem Monat, unzähligen Befunden (aggressiver Tumor, keine Metastasen sichtbar, Herz ist top in Form), langen nächtliche Recherchen, Aufmunterungen, guten Gesprächen, einem harten Corona-Lockdown und einer Blitzheirat liege, nein, lehne ich ungeduldig in einem AKH-Bett und schaue der roten lebensrettenden Flüssigkeit zu, die so unendlich langsam in meine Vene tropft. Schneller! Hilf mir. Heile mich. Essen? Nein danke. Schon gar nicht das Schnitzel oder – alternativ – den fetten Fisch. Gesundes Essen, Bio-Brokkoli, Herr Doktor, seit 25 Jahren! Auftritt der Psychologin. Mag ich reden?.... Hmm, was soll ich ihr sagen? Dass mir schmerzlich und sehr klar bewusst ist, alles wird sich ändern – in erster Linie mein Körper, Muskeln, Kondition, Aussehen… dass die Haare, Wimpern, Augen-brauen weg sein werden, die Nägel verschrumpelt, aber auch mein gewohntes Leben wird plötzlich völlig umgestellt sein - ihr kennt mich, ich liebe das gemeinsame Training in der Gruppe, die Streckenbesichtigungen, die Wettkämpfe und die "Punktejagd", dieses überaus ausgefüllte Leben mit viel Arbeit, Sport und sozialem Engagement. Stattdessen erwarten mich immunsuppressierter Patientin Einschränkungen auf voller Linie. Nicht mehr stark, sondern ganz, ganz schwach werde ich sein, eine ungewohnte Rolle. Ich bin traurig, verständlicherweise. Wie ich mir die Zukunft vorstelle, wie es konkret weitergeht? Spontan fällt mir ein: Die Therapie – Chemo, Operation, Bestrahlung – ist meine persönliche Langdistanz, mit Wechselzonen zwischen den drei Disziplinen und Ungewissheit bezüglich Material, äußeren Umständen und auftauchenden Widrigkeiten, aber mit der einen, alles überstrahlenden Vision: Am Ende der Behandlung gehe ich durch den Zielbogen, ganz wie bei einem realen Triathlon: GESCHAFFT! Die Psychologin strahlt: eine Perspektive! – Eh: Zuversicht ist mein zweiter Vorname ;) .
Der – spezielle – Triathlon
Erste Disziplin – Chemo: Der Anfang war leicht: Wie kann ich Behandlung – Chemo alle drei Wochen, das Ganze achtmal – unterstützen? Durch Bewegung. Aber gern! Nicht so wie die blassen, haar- und energielosen Wesen, die man von Filmen kennt – nein: aktiv stürze ich mich in die Aufgabe: Täglich während des Lockdowns zwischen sechs und zehn Kilometer unterwegs, Home-Office davor und danach, die überfüllte Donauinsel meidend. Corona – nein danke, DAS brauch ich nicht auch noch! Die Sports Monkeys weichen auf Online-Kurse und Alternativ- und Einzeltrainingsprogramme aus – so wie ich. Im Juni verstärken sich die anfangs leichten Nebenwirkungen: Übelkeit, Schleimhautentzündungen, Fieber sind zwar durch Begleitmedikamente im Griff, aber Wandern wird mühsamer, Laufen geht gar nicht. Die Monkeys trainieren wieder gemeinsam – genießt es, ihr Lieben, ich freue mich mit und für euch und eure Aktivitäten, die ihr in SMTC-Fun-WhatsApp postet. Mein Körper reagiert mittlerweile auf die Zellgifte immer heftiger. Aber es geht noch. Plötzlich, Mitte Juni: Schmerzen in den Beinen, die mir den Schlaf rauben, Internet-Recherche ergibt: Verdacht auf Thrombose. Lungenembolie oder Schlaganfall können die Folge sein, das kann rasch gehen. Zum ersten Mal Angst. Nicht das auch noch! Ich tue mir leid, die allerersten Tränen. Bald Entwarnung, es ist nur eine Neuropathie, also Nervenschmerzen, eine weitere Nebenwirkung. Was kann ich dagegen tun? Gehen, bewegen. – Wird gemacht! Ein paar Tage später, mit dem neuen Medikament der Chemo-Phase II ein herber Rückschlag: Extreme Schmerzen an den Fußsohlen, an Gehen oder Radfahren ist nicht zu denken, die Haut löst sich allmählich ab - im Sommer am Sofa geparkt… seufz, mit Coolpacks an den Fußsohlen und Fingerspitzen, die Füße Tag und Nacht in einer Kühltasche, das hilft gegen dieses scheußliche Hand-Fuß-Syndrom. Ihr bestreitet jetzt Wettkämpfe, schickt Fotos. Mein Herz blutet: Soooo gerne wäre ich auch dabei! Aber – all das lenkt mich auch ab. Ich freue mich über eure Treffen, über eure Erfolge, fiebere mit euch mit. Durchhalten heißt die Devise, auch bei mir - Mitte August ist die letzte Chemo, beißen! Privat bekomme ich Besuch am Balkon - im Freien - von meinen Töchtern und Freundinnen; schön und wohltuend war's, euch nach mehreren Monaten wieder persönlich zu sehen, blödes Corona-Virus!!!
Part 1 endlich absolviert. Im Rückblick: Alles halb so wild, bin der "das Glas ist halb voll"-Typ. Nun bin ich in Wechselzone 1 und möchte rasch die zweite Disziplin "erledigen": Vorwärts – holt mir endlich den Tumor raus, er nervt; Doktor sagt jedoch: zuvor Pause – Regeneration ist die vierte Disziplin, im Triathlon wie hier. Gib dem Körper Erholung durch viel Schlaf, Ruhe, gutes Essen, Stressreduktion. Durchatmen. Das hilft. Klingt so einfach …….
Zweite Disziplin – Operation: Ein letzter Check – dann kann's endlich losgehen, inklusive des x-ten Corona-Tests, mit FFP2-Maske den ganzen Tag im Spital. Dank meinem phantastischen Arzt die komplikationslose OP gut überstanden, zwei Tage später schon zu Hause, Corona-Risiko minimieren und vor allem: Ruhe! Versorgung während des kurzen Krankenstandes durch Johann, den besten aller Ehemänner, dann ist Part 2 schon erledigt – das ging überraschend schnell vorüber!! Nun kommt Wechselzone 2, das Warten auf den Beginn der Bestrahlung– auch hier muss ich Geduld aufbringen. Der Körper muss die Belas-tungen einer Operation erst verarbeiten. Beim ersten Spaziergang auf der Donauinsel ist die kleine Rampe eine echte Herausforderung, Spaziergang auf den Bisamberg wie eine große Bergtour. Aber: es geht voran. Zwei Drittel liegen bereits hinter mir. Erste Radfahrten auf der Donauinsel, sehr langsam. Mittlerweile geht das Leben in Österreich munter weiter: geöffnete Schulen und Geschäfte als gäbe es das Corona-Virus nicht mehr, die Wirtschaft blüht wieder auf. Die Corona-Infektionszahlen leider auch….
Dritte Disziplin – Bestrahlung: Es kann losgehen: An 17 Tagen ins AKH, meine Strahlendosis im "Bunker", dem Strahlenzentrum im Untergeschoß des AKHs, abholen. Die Prozedur selbst dauert nur Sekunden. Inklusive der Vorbereitungen am Bestrahlungstisch ist alles innerhalb von Minuten vorbei – wenn nur der Stau beim Heimfahren nicht wäre, aber gut…. Mittlerweile wieder ein Lockdown. Auch das noch! Wieder Schlangen bei der Eintrittskontrolle ins AKH. Durchhalten, das Ende der Behandlung ist in Sicht. Kleiner Schock: plötzlich ein neuer Knoten – die Ärzte beruhigen: das ist normal, das sind Gewebsflüssigkeiten in Folge der Behandlung. Ich glaube ihnen diesmal nicht und bestehe auf einer zusätzlichen Ultraschalluntersuchung: mein Körper hat mir schon einmal eine herbe Enttäuschung bereitet, ich möchte auf Nummer sicher gehen. Das Ganze zieht sich ein wenig, ich werde ein bisschen nervös.
Erfolgreich im Ziel !!! Endlich gefinisht!!
Kurz vor Weihnachten, 8 Monate nach Behandlungsbeginn und 9 Monate nach der Erstdiagnose wird mir versichert: Alles ok! Mein schönstes Weihnachtsgeschenk – der Zielbogen ist erreicht, Behandlung erfolgreich abgeschlossen. Nun kann die wohlverdiente Entspannung beginnen. Doch - nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. So auch hier: Entspannung ja, aber auch Nachsorgeuntersuchungen, eventuell eine Reha – im harten Lockdown schwierig!
Was mir geholfen hat
Ein gutes soziales Umfeld – der Zuspruch, die Aufmunterungen, die positive Energie, guten Wünsche und tatkräftige Unterstützung von Familie, Freundeskreis, Arbeits-kollen*innen und euch, der Sports Monkeys-Gemeinschaft. Das ist wie die Anfeuerungsrufe beim Wettkampf – es hilft einfach, durchzuhalten, nochmal die letzten Energiereserven zu mobilisieren. Alte Freundschaften wurden gestärkt, neue geschlossen. DANKE euch allen!
Die durch den Sport erworbene Selbstdisziplin und das erprobte Durchhaltevermögen: als (Hobby)Sportler*in weiß man einfach: Wenn es wo zwickt, bedeutet dies nicht immer die große Katastrophe, Schmerzen vergehen auch wieder. Meistens muss man aktiv etwas tun, manchmal muss man einfach nur zuwarten. Meine durch das Training gute körperliche Grundkondition hat zusätzlich geholfen, die Strapazen der Chemotherapie gut zu überstehen.
Expertenwissen – und Vertrauen in die Profis und in die moderne Medizin. Ja, mündige*r Patien*in/Sportler*in zu sein schadet nicht, auch haben wir letztendlich die Eigenverantwortung. Aber das Grundvertrauen in die Ärzteschaft, die sich jahre- wenn nicht jahrzehntelang mit dieser hochkomplexen Spezialmaterie befasst, ist hilfreich. Drei Monate abendliche Internet-Recherchen ersetzen kein mehrjähriges Studium, keine Spezialausbildungen, keine umfassende Praxis am Patienten. Dasselbe gilt für den/die Trainer! Diese*r sieht alles aus einer Vogelperspektive, vereint Wissen und Erfahrung, möchte das Beste für den Schützling. Die Medikamente sind an tausen-den Menschen systematisch erprobt, die (Neben)Wirkungen beobachtet und beschrieben. Mit einer bestimmten (Eintritts)Wahrscheinlichkeit kann gerechnet werden.
Meine Arbeit – ich konnte und durfte weiterarbeiten. "Normalität", aber auch Ablenkung. Auch mal Herausforderung... Essenziell: das Home-Office. Dies hat den Spagat zwischen beruflichen und den vielen Spitals- und Arztterminen ermöglicht. Danke!
Der Lockdown: Ja, die durch diese unsägliche COVID-Krise verursachte Entschleunigung, die Konzentration auf das Wesentliche, nämlich Behandlung, Familie, Freunde, Arbeit, haben mir geholfen, alles zu managen und gut zu überstehen.
Last, but not least: Humor und Zuversicht und ja, auch das eine oder andere "alternative" Heil/Hilfsmittel (Tees, Salben, Kältetherapie), sich mit Plan B und C beschäftigen, aber auch auf Neues, völlig Unerwartetes einstellen und Los-lassen-Können, Neugierde und Geduld - dies alles hat mir persönlich geholfen.
Ausblick
Wie geht es weiter? Muskel- und Gelenksschmerzen, Gewichtszunahme, hervorgerufen durch die Hormontherapie, ärgern und behindern mich. Konkrete Trainingspläne (mit Zeit- und Belastungsangaben) für Krebspatient*innen hab ich in dieser Form nicht gefunden (Empfehlungen willkommen!). Es gibt nur wenige Internet-Berichte von Leuten, die nach überstandener Krebserkrankung zurück zu Halb- oder sogar Langdistanz finden. Ich werde den guten Rat von Rudi, unserem Silberrücken, befolgen: Auf Signale des Körpers hören, zwischen Belastung auf eine gute Regeneration achten, keine Extremintervalle, sondern Ausdauer, Muskelkraft und Beweglichkeit stärken, die Technik verbessern, gute Ernährung, viel Schlaf. Mit etwas Geduld, Glück und der COVID-19-Impfung werde ich wieder an diversen Wettkämpfen teilnehmen können und freu mich schon riesig drauf, mit euch gemeinsam zu trainieren und an der Startlinie zu stehen!