Der Sports Monkeys Triathlon Club

Always on the road

7. August 2023ca. 7 Minuten Lesezeit

Oder: Der Versuch einer (sportlichen) Standortbestimmung. Im wahrsten Sinne des Wortes!

In einem bequemen Loungesessel mit Blick auf den riesigen A380, das größte aller Flugzeuge, in welchem ich gleich auf den legendären Changi Airport in Singapur fliegen werde, sinniere ich über die vergangenen Wochen, über Privates, Berufliches, logischerweise auch über den Sport, den Triathlon. Auch wenn es sportlich vielleicht nicht ganz ideal gelaufen ist, habe ich den SMTC international vertreten… das macht schon stolz! Es kam mir zeitlich auch recht gelegen, dass ich Anfang Juli zwei Läufe in den USA bestreiten konnte und gestern der London Triathlon am Programm stand.

Am Independence Day, den 04. Juli, bestritt ich einen 6.2-Miler (10 KM-Lauf) in Atlanta, das Peachtree Road Race, mit mehr als 50,000 Teilnehmern der größte 10 KM-Lauf der Welt, was 26 Startblocks von A bis Z eindrucksvoll beweisen… Alleine die Startnummernausgabe war eine Messe, die um ein Vielfaches größer als der Wien Marathon ist. Nach einer Shoppingtour durch die Atlanta State Fair und mehreren Proberunden in elektrischen BMWs trat ich also an, um meine 10 Kilometer-Bestzeit zu unterbieten, begleitet von einer Freundin, die ich in den Wochen vor dem Wettkampf mit Trainingsplänen vorbereitet habe. Mariam ist seit der Highschool nicht mehr wirklich gelaufen! Nach dem Singen des Star-Spangled Banners ging es um 7.45 Uhr los. Ein Rennen, das sich als anstrengender als gedacht herausstellen sollte, da ich nach einem Wolkenbruch kurz vor dem Start komplett durchnässt war und 94 Grad Fahrenheit dann doch kein kühler Herbstlauf sind. Auch die hohe Luftfeuchtigkeit - annaeherend 100 Prozent - hatte etwas gegen eine PB, die hilly city Atlanta habe ich zudem echt unterschätzt, up and down like an elevator… Das hat mich an so manche Anstiege im Wienerwald erinnert ;-) Mariam war mit ihrem Ergebnis hochzufrieden, ich ganz und gar nicht, aber dafür haben wir einen neuen Freund: Georgia State Trooper Pierce!

Bald hatte ich jedoch schon eine Gelegenheit, den Ärger einigermassen wettzumachen: Am 09.07. fand der Coney Island Half Marathon statt, ein für amerikanische Verhältnisse richtig kleiner Lauf direkt am Strand von New York City, im osteuropäisch geprägten Teil von Brooklyn. Eine faszinierende Gegend, teilweise ist man sich nicht sicher, ob das noch NYC ist! Zufällig lernte ich 2 Stunden vor dem Start in meiner Unterkunft Traivor und Igor aus New Hampshire kennen, die sich auch beide für das Rennen vorbereiteten - und so liefen wir gemeinsam die 1.5 Meilen zum Startpunkt. Hier habe ich mich richtig gut gefühlt, alles schien zu funktionieren, die Beine fühlten sich flink an wie lange nicht - vielleicht war es auch die Stärke der beiden, Igor wurde später Dritter im Geamtranking und hat sich schon ein neues Ziel gesetzt: Marathon in sub 2:40! Was habe ich mir bei der National Anthem alles ausgemalt…

Der Bewerb lief aber natürlich nur teilweise nach Plan. So konnte ich den berühmten Bib Effect am Anfang nutzen und gingen mir die ersten 6.2 Meilen locker von den Füßen, es waren tatsächlich meine schnellsten 10k, ich konnte mich in eine tolle Gruppe einordnen und wir haben uns gegenseitig gepusht! Den ziemlich schnellen und ziemlich heftigen Einbruch zu Beginn der zweiten Hälfte hätte ich aber eigentlich irgendwo kommen sehen müssen, bin ich doch in den Tagen zuvor im Schnitt 30,000 Schritte bei durchschnittlich mehr als 86 Grad Fahrenheit pro Tag gegangen… Ein double-edged sword: Einerseits war ich froh über eine tatsächliche 10km-Bestzeit, wenn auch nicht als stand alone, andererseits haben die hohe Luftfeuchtigkeit und die hohen Temperaturen ein besseres Ergebnis verhindert und mich zu absolut unterirdischen Schimpftiraden ohne Ende bewegt, sodass meine Endzeit ziemlich genau 2:01 betrug. Was aber viel mehr zählt, ist, dass ich zwei Freunde gewonnen habe, mit denen ich schon zum Training in Europa verabredet bin, und dass ich einen Halbmarathon in New York City gelaufen bin - one of a kind!

…und es war ein Halbmarathon vor einem Triathlon! Am 04.08. flog ich nach London, um am London Triathlon teilzunehmen, einem Rennen der Superlative: Je nach Quelle der größte oder zweitgrößte Triathlon der Welt (nach Noosa in Queensland). Kurz vor dem Bewerb wurde das Rennen von Challenge übernommen und meine Olympic Plus Distance (1,5 - 80 - 10) in eine normale Kurzdistanz umgewandelt, nach kurzer Bedenkzeit habe ich den Gedanken der Mitteldistanz fallen gelassen, mit der ich mich gedanklich schon angefreundet habe! Aber am Vortag eines 13-Stunden-Flugs…

Nachdem ich mir ein Rental Bike von Moloko Cycling abgeholt hatte und am Rückweg eine spontane Sightseeingtour am Rad unternommen habe, Chelsea, Kensington, Buckingham Palace, Westminster Abbey, Big Ben, Downing Street, Trafalgar Square - war ich doch seit 2003 nicht im UK (Heathrow ausgenommen) gewesen - weshalb ich erst um 10:00 Uhr im Bett war, war ich kurzfristig nicht sicher, ob der Bewerb eine gute Idee ist, aber das sollte sich als sinnloser Gedanke herauskristallisieren… So betrat ich gestern um 07:00 Uhr London ExCeL, ein Veranstaltungsgebäude, in welchem die Wechselzone und andere Station untergebracht waren - ja, die Wechselzone ist indoor! Bei insgesamt 38 Startwellen macht das Sinn… und das hat auch meine Erwartungen an das Rennen beeinflusst, denn da war von Profis bis zu Leuten mit Stadträdern und Nichtläufern wirklich jeder dabei, also war mein Motto: “Dabeisein ist alles!” Ach…

Das Schwimmen in den Royal Docks stelle sich als ziemlich anstregend heraus, war es doch mein erster Wettkampf im Salzwasser und war ich seit fast 6 Wochen nicht im Wasser gewesen. Zudem waren die Bojen aufgrund des Lichts sehr schwer einsehbar, ich bin kreuz und quer geschwommen und haben sich die schnelleren Schwimmer nicht zwingend als Gentlemen ausgezeichnet, das war ein ziemlicher Verdrängungswettkampf.
If I only… anyway, raus aus dem Wasser und direkt den Neo ausziehen, noch draußen vor dem Gebäude, da das Wasser nicht nach drinnen geschleppt werden soll. God, why? Aber die netten Helfer und eine große Plastiktüte, wo das gesamte Racing Equipment reinpasst, damit der Wetsuit drinnen nicht alles durchnässt, haben das wieder gutgemacht!

Natürlich habe ich mich in der Transition Zone mit einem T1, der langsamer als eine Schnecke von Wien nach Istanbul war, wieder ausgezeichnet und noch dazu viel zu oft an der Uhr gedrückt, sodass ich zu Beginn der Radstrecke bereits beim Laufen angelangt war - kann mir bitte jemand meine Garmin erklären! Mit dem Rad entlang der Themse, vorbei an Canary Wharf, dem Tower of London und zahlreichen Prachtbauten, kehrten wir direkt vor dem Big Ben um und strampelten zurück nach Canning Town - es gibt wahrscheinlich Schlimmeres, auch wenn der Wind mit über 20 Meilen bläst. Spannend waren die von Zwift bekannten Tunnel, die man auch in Echt durchfährt, man hat teilweise das Gefühl, sie wollen nicht aufhören. Nach einer zweiten Runde im östlichen Teil der Stadt ging es wieder “bergauf” auf die Rampe des London ExCeL, hinein in die Transition Zone. Kleiner Hinweis am Rande: Es herrscht Linksverkehr, manchmal muss man aufpassen ;-)

Nachdem ich mich nicht besonders gut fühlte, sich das mangelhafte Frühstück heimzahlte und ich zu Beginn der wirklichen Laufstrecke wieder einmal wie wahnsinnig vor mich hin zu fluchen begann, wurde ich von einer Kollegin aus der BRD doch ersucht, meinen Sprachgebrauch doch etwas zu zügeln - Ausspruch “Junge, kannste mal aufhören zu schimpfen, was ‘n Schwachsinn redeste denn!” Zu diesem Zeitpunkt war ich mir aber wirklich unsicher, ob ich den Lauf durchziehen würde - arbeitete mich schlussendlich aber von Runde zu Runde durch und konnte in der dritten von drei Runden die ExCeL Waterfront sogar richtig geniessen, die zahlreichen Besucher, Cola-Refreshments und Zurufe haben richtig motiviert. Entlang den Entladestationen, modernen Bürogebäuden, auf der anderen Seite der Wasserfläche der City Airport in Sicht. Not too bad. Zwischenzeitlich habe ich mit einem Italiener auf der Laufstrecke geplaudert, sein erster Triathlon, er wollte ihn nicht “zuhause” machen, damit ihn niemand auslachen kann. Ach Gott! Zwar kam ich trotz aller Weltuntergangsgedanken ohne irgendeine Bestzeit und ziemlich sauer auf meine sportliche Leistung ins Ziel, aber hey, it’s the London Triathlon, ein Punkt auf der Bucket List ist erfüllt - und wie viele Leute haben so einen Wettkampf schon bestritten!?

(Redaktionelle Anmerkung: 1mi = 1.60934km, 86 Grad Fahrenheit = 30 Grad Celsius)

Zum Abschluss, frei nach dem legendären Blacky Fuchsberger: Auf los geht’s los! Wir sehen uns…

Philipp Huppmann
geschrieben von Philipp Huppmann

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